Ist Gähnen unhöflich? Eine neue Sicht auf Körpersignale im Unterricht
- Doreen Mehner
- 7. Mai
- 3 Min. Lesezeit
Kennst du das auch: Ein:e Schüler:in gähnt mitten im Unterricht. Der erste Impuls? „Bin ich so langweilig?“ Viele Lehrkräfte empfinden das Gähnen ihrer Schüler:innen als Zeichen von Desinteresse oder sogar Respektlosigkeit. Aber was steckt wirklich hinter dem Gähnen?

Gähnen – mehr als bloße Langeweile
Gähnen ist ein faszinierendes Phänomen, das weit mehr ist als ein Zeichen von Müdigkeit oder Unlust. Aus multiperspektivischer Sicht erfüllt es mehrere wichtige Funktionen:
🧠 Neurologisch: Das Nervensystem reguliert sich
Gähnen kann ein unbewusster Mechanismus zur Selbstregulation und zum Stressabbau sein. Besonders Kinder und Jugendliche nutzen (oft unbewusst) körperliche Strategien, um mit innerem Stress, Langeweile oder Überforderung umzugehen. Gähnen hilft dabei, das Nervensystem in Balance zu bringen – ähnlich wie ein Seufzen oder das Strecken.
❤️ Emotional: Gähnen ist ansteckend – im besten Sinne
Gähnen hat auch eine soziale Komponente. Studien zeigen, dass empathische Menschen häufiger „mitgähnen“. Im Klassenzimmer kann das bedeuten, dass Schüler:innen durch Gähnen subtil den emotionalen Zustand der Gruppe spiegeln – etwa Stress, Erschöpfung oder mangelnde Pausen. Gemeinsames Gähnen kann als auch die Empathiefähigkeit deiner Klasse erhöhen.
🏃 Körperlich: Ein Mini-Reset
Gähnen fördert die Sauerstoffzufuhr und aktiviert kurzzeitig den Kreislauf. Es ist eine kleine, aber wirksame körperliche Reaktion, um sich neu zu fokussieren. Auch wenn es oft als Zeichen von Trägheit gewertet wird – in Wahrheit ist es ein Versuch des Körpers, wieder in Schwung zu kommen.
🌍 Soziokulturell: Missverständnisse vermeiden
In manchen Kulturen wird Gähnen übrigens als völlig neutral betrachtet, in anderen als unhöflich oder sogar respektlos. Unsere Bewertung von Gähnen ist also kulturell geprägt. Im Unterricht führt das schnell zu Missverständnissen – besonders in diversen Lerngruppen, wo Schüler:innen aus verschiedenen kulturellen Hintergründen kommen.
🔄 Kognititv: Gähnen schenkt neue Aufmerksamkeit
Neurowissenschaftler vermuten, dass Gähnen eine Art „Kühlsystem“ für das Gehirn ist. Wenn unsere geistige Aktivität steigt – zum Beispiel bei intensiver Konzentration –, erwärmt sich unser Gehirn. Das tiefe Einatmen beim Gähnen sorgt für eine Abkühlung und hilft, die kognitive Leistungsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Gähnen tritt oft an Schwellenmomenten auf – z. B. zwischen zwei Aufgaben, beim Übergang von Konzentration zur Ermüdung oder vor einer neuen Denkanstrengung. Es kann also auch ein Signal für einen kognitiven Übergang sein – ähnlich wie das „Neuladen“ eines Systems.
Was bedeutet das im Klassenzimmer?
Wenn Schüler:innen gähnen, heißt das nicht automatisch: „Der Unterricht ist langweilig.“ Viel wahrscheinlicher ist es ein Hinweis darauf, dass ihr Gehirn gerade stark beansprucht wird – oder dass die Konzentration nachlässt, weil eine Pause nötig wäre.
Lehrer:innen können Gähnen als wertvolle Rückmeldung begreifen, ähnlich wie ein Thermometer im Raum: Es zeigt an, wann der „kognitive Akku“ leer ist. Wer gähnt, braucht nicht unbedingt mehr Unterhaltung – sondern oft einfach einen Moment der Regeneration.

Was kannst du als Lehrer:in tun?
⏸️ Pausen strategisch einbauen: Kurze, aktive Powerpausen (z. B. Bewegung, Atemübungen, Brainkinetik) helfen, die Konzentration wiederherzustellen.
Zu Powerpausen biete ich übrigens eine Lehrerfortbildung an.
🎯 Auf Körpersignale achten: Gähnen, Unruhe, sinkende Energie – das alles sind Hinweise, dass ein Methodenwechsel oder eine Aktivierung hilfreich sein kann.
🌀 Gähnen zulassen, nicht ächten: Sprich mit deiner Klasse darüber, was Gähnen wirklich bedeutet – das schafft Verständnis und reduziert unnötigen Druck. Gähnt demonstrativ gemeinsam als Powerpause. Das bringt nicht nur Spaß und wertschätzt eure Bedürfnisse, sondern schenkt auch neue Konzentration für die nächste Unterrichtsphase.
BUNTerWACHSEN – Wie ich Schulen begleite
Bei BUNTerWACHSEN verstehe ich Schule als lebendigen Lernraum, in dem Körper, Geist und Emotionen gleichermaßen berücksichtigt werden. Meine Angebote für Schulen setzen genau hier an: Ob durch pädagogische Impulse, Fortbildungen, Workshops für Schüler:innen oder die ACHTSAME PAUSE für das Kollegium – ich stärke und fördere die Ressourcen, die bereits da sind. - Neugierig geworden? Hier findest du meine Angebote für Schulen:
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